Projektmanagement zwischen Hierarchie und Selbstorganisation

Noch nie war die Wirtschaft so schnelllebig wie heute. Produktzyklen werden schon längst nicht mehr in Jahren, sondern in Monaten und in Einzelfällen sogar in Wochen gemessen. Es gilt, nicht nur schneller, sondern auch innovativer als der Mitbewerb zu sein. Starre Hierarchien erweisen sich dabei oft als Hindernis. Denn Innovationskraft und optimale Arbeitsstrukturen können nicht immer von oben herab verordnet werden. Auf der anderen Seite ist die Selbstorganisation eines profitorientierten Unternehmens auch nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss. Es müssen Ziele vorgegeben und Vorgänge kanalisiert werden.

Modernes, erfolgreiches Management muss sich deshalb zwischen hierarchischer „Diktatur“ und kreativem Chaos bewegen. Im Projektmanagement sind das beispielsweise agile Methoden, wie etwa Scrum. Oben steht die Hierarchie („Entwickelt mal das Produkt XYZ“) und unten die Selbstorganisation („Wir entwickeln unseren Backlog selbst, und planen die Iterationen nach unseren Vorstellungen“).

Aber wo sind die Grenzen und wer sagt, dass nicht doch eines der beiden Extreme, also Diktatur oder vollständige Selbstorganisation, der erfolgreichere Weg ist? Schauen wir uns Unternehmungen als Ganzes an, beispielsweise unser aller Lieblings-Hardware- (und Software-) Hersteller Apple. Ein ausgesprochen hierarchisches und mit strenger, fast diktatorischer Hand, geführtes Unternehmen. Aber: Erfolgreicher als Apple kann man vermutlich momentan gar nicht sein.

Auf der anderen Seite faszinieren mich die Erfolge der vollkommenen Selbstorganisation. Beispielsweise Buzzriders. Hier entwickelt eine Community in fast vollständiger Selbstorganisation ein neues, lokales Social-Media-Angebot. Sicher, es bleibt noch abzuwarten, ob letztendlich daraus ein „Produkt“ entsteht. Aber allein der Weg bis zum Staus Quo ist mehr als beachtenswert.

In einem Teil meines beruflichen Umfelds bin ich momentan ebenfalls auf dem Trip zur totalen Selbstorganisation. So halte ich seit ein paar Jahren auf Konferenzen und Barcamps Vorträge. Anfangs habe ich das minutiös geplant, inklusive einer ausgeklügelten Präsentation. Schnell habe ich jedoch gemerkt, dass das passive Zuhören für die Teilnehmer an meinen Workshops und Vorträgen nicht wirklich zielführend oder gar befriedigend ist. Mittlerweile gehe ich in solche Veranstaltungen lediglich mit einem groben Konzept. Statt dessen fordere ich das Publikum zur aktiven Teilnahme auf und beschränke mich danach auf eine Art Moderatoren-Rolle. Das klappt nicht immer (dann muss ich schnell in den Vortragsmodus wechseln), meistens entwickeln sich daraus jedoch erstaunlich gute Sessions mit sehr interessanten Ergebnissen. Für mich und für das Publikum.

Das faszinierende für mich daran ist, dass es immer eine bestimmte Anzahl von Teilnehmern gibt, die überhaupt nicht mitziehen und die nicht gewillt sind sich einzubringen. Während ein Teil des Publikums fleissig diskutiert, Fragen stellt oder eifrig mitschreibt, bleibt ein anderer Teil abwartend passiv oder verlässt gar die Session.

Für mich bedeutet das, dass Selbstorganisation, selbständige Teamarbeit oder meinetwegen ein „Management von unten“ nicht mit jedem funktioniert. In jedem Unternehmen und jedem Team gibt es passive Mitarbeiter, die angeleitet sein wollen. Die Herausforderung ist, wie man mit solchen Kollegen umgeht und sie produktiv einbindet, ohne die Geschwindigkeit und Effizienz der Selbstorganisation einzubüssen.