Scrum: Der Anfang vom Ende?

Boris Gloger, Scrum-Promoter und Berater der ersten Stunde, hat auf seinem Blog einen lesenswerten Beitrag über die (negative) Entwicklung rund um das agile Management bzw. Projektmanagement veröffentlicht. Ich bin auf den Beitrag sofort angesprungen, weil Boris gleich zu Beginn meinen Lieblingsautor in Sachen Wirtschaftbücher zitiert, nämlich Tom Peters. Ich finde dessen Bücher „Re-Imagine“ und „The Circle of Innovation“ nach wie vor mit das Beste, was es zu diesem Thema auf dem Markt gibt. (Tipp: unbedingt auf Englisch lesen! Deutsch funktionieren diese Bücher nicht.)

Aber zurück zu Scrum: Boris sagt, und da bin seiner Meinung:

Wir haben ein Problem. Scrum wird selbst zum Establishment.

Und weiter:

Was ist passiert, dass plötzlich Mike Cohn in einem seiner letzten Posts schreibt, dass Stundenschätzungen vollkommen in Ordnung seien. Ich meine, wir versuchen seit Jahren von dem Fluch der Aufwandsschätzungen weg zu kommen.

In der Tat, Scrum und Co. scheinen mir auf dem Weg zu sein, ihre Wurzeln zu verraten. Anstatt, dass Unternehmen den Wert dieses wertvollen und vielfach erprobten Tools erkennen und sich darauf – aller Ängste zum Trotz – einlassen, versuchen einige Wortführer Scrum an den Mainstream, sprich die vermeintlichen Bedürfnisse traditionell gesteuerter Unternehmen, anzupassen und es dabei arg zu verbiegen. Dabei ist ja der Witz einer agilen Methode gerade der, dass sich eben nicht jedes Projekt von Anfang an in Zahlen pressen oder penibel planen lässt.

Ich bin der Meinung, dass dieses „Alles planen wollen“ genau das ist, woran speziell die deutsche Wirtschaft krankt. Wir haben hier kein Apple, kein Google, kein Facebook, noch nicht einmal eine innovative und damit weltweit erfolgreiche Film-Industrie, weil wir unsere Fachleute nicht einfach machen lassen wollen. Statt dessen wird versucht alles von A bis Z zu planen, mit dem Ergebnis, dass sowohl Innovation, als auch (Produkt-)Emotion auf der Strecke bleiben.

Vollkommen richtig konstatiert Boris:

Scrum ist das einzige mir bekannte Werkzeug, das uns dabei hilft, die humanistischen Ideen darüber, wie Menschen in modernen Organisationen arbeiten sollten, in die Organisationen zu tragen. Scrum ist daran orientiert, worum es geht: Leistung und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten.

Womit wir wieder einmal bei einem meiner Lieblings-Themen, nämlich der Motivation gelandet wären.

9 Gedanken zu „Scrum: Der Anfang vom Ende?

  1. Ich kann deinen Bemerkungen nur Zustimmen. Lass uns doch einfach gemeinsam noch mehr dafür tun, dass wir die deutsche Wirtschaft umkrempeln. lg Boris

  2. Ich sehe das auch so. In Deutschland muss alles geplant passieren, anstatt die Leute wirklich mal machen zu lassen. Bin froh in einer Firma arbeiten zu dürfen, die einfach machen lässt anstatt alles strikt bürokratisch abzuwickeln.
    Scrum hat uns wesentlich effektiver gemacht.

    BTW: Danke@Boris fürs super Scrum-Coaching & Scrum-Cooking in München im Februar

  3. Es ist tatsächlich schwierig die Deutschen vom Durchplanen weg zu bekommen. Obwohl immer wieder bemerkt wird, dass die Planungen nur dafür da sind, um sie wieder über den Haufen zu werfen.

    Auf der anderen Seite ist es in manch einem Unternehmen auch nicht einfach die Motivation der Teams „hoch zu halten“.

    Meines Erachtens ist jedoch eine der höchsten Motivationsquellen das Feedback des Kunden. Also, schaut auch mal unser neues Innovations-Projekt an, das wir nach Scrum entwickeln: http://www.garanbo.de
    Einziges Problem dabei: Ich als CSPO habe noch keinen „realen Kunden“ für Feedback…

  4. Der Wunsch alles planen zu können und damit Unsicherheiten ausschließen zu können ist nicht allein auf Deutschland beschränkt sondern ist dank internationaler Governance-Regeln und die Reaktionen der Börsen auf Underperformance mittlerweile ein globaler Mindset in großen Unternehmen, unabhängig von der Herkunft der Führungskräfte und Mitarbeiter oder gar des Standortes.

    Doch das, was man gerne hätte, ist nicht das was auch machbar ist. Der Wunsch neuartige Lösungen, bei gleichzeitiger Verwendung neuester Technik, in einem stark veränderlichen Umfeld zu realisieren, macht dies für mich schlicht zur Planungsillusion. Alle wasserfallartigen Vorgehensmodelle leiden an dieser Ilusion. Daher sehe ich den großen Fortschritt der agilen Methoden darin, sich einzugestehen, dass ein Plan nur auf Sicht, d.h. kurze Zeitspanne realisierbar und steuerbar ist sowie das selbststeuernde und vernetzte Teams schlagkräftiger sind als umfangreiche Hierarchien.

    Das das an dem Selbstverständnis der meisten Manager von Großunternehmen kratzt, ergibt sich von selber. Es steigert jedoch nicht die Wettbewerbsfähgigkeit dieser Unternehmen, wenn agiles Management hierarchiekonform werden soll, sondern verbessert wahrscheinlich nur die Einnahmen derjenigen Berater, die ihren Kunden jetzt Agilität und Dinosaurierkompatibilität offerieren.

  5. It would be interesting to read what the US part of ProjectWizards is thinking about it. Isn’t Dave Prior not one oc the fighters for Scrum?

  6. Pingback: schlossBlog » #376 Es geht abwärts

  7. My take on this is going to be different from Boris’s and Mike’s. They were there at the beginning and it took me a long time to find my way to a mindset where I was able to see how beneficial Scrum and Agile could be to traditional PMs. I also have 8 years of volunteering for PMI under my belt, so my gauge for something becoming “establishment” is a little different. I think Scrum has definitely become more mainstream, and I can understand how troublesome this is for many people. At the same time, I think it is awesome because of the positive impact it is having on so many people. To me this is sort of like when you discover an indie band and then struggle with enjoying their music after they’ve become widely known and massively popular. For Scrum to grow and reach the audience it has, it can’t help but change. If the mission of the Scrum Alliance is to transform the world of work, you can’t deny that they’ve made massive progress over the past few years. To reach that scale of audience, Scrum itself will be transformed. So, in some ways, Boris is right, but I don’t think that is a bad thing.

    I’m not qualified to comment on the state of Germany, whether or not it is locked in a traditional approach to PM, or whether this is good or bad.

    As for the story point question… I’m a little surprised by Mike’s post as well, but debates about things like this are what make Scrum and Agile so awesome. When was the last time you heard anyone debate about how to do critical path? The fact that there are so many debates about how to do Agile is evidence that this is a living, breathing, evolving way to approach work, which means any one of us can impact it. Mike is the man, and Boris is also someone I consider to be pretty brilliant. It would be a fool’s errand to challenge either of them. At the same time, I feel pretty confident that they’d both agree that if you are getting the work done, the team is high performing and improving sprint to sprint, then that is what matters. For me, my personal preference is complexity points (including risk, unknowns, perceived difficulty) at the story level and then ideal man-hours at the task level. This is probably different that tons of people, but you know what, if it works for me and the team I am with, and we’re getting the work done, and the client is engaged and happy, then you know what… we’re getting the work done, so its’ all good.

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