Zensur und ein problematischer Gesetzentwurf

Blogger-Kollege Andreas Heilwagen hat heute ein wichtiges, weil alle Internet-Anwender betreffendes Thema aufgegriffen: Die Sperrung von Internetseiten im Rahmen der Bekämpfung der Kinderpornografie. Wie er vollkommen richtig ausführt, geht das Thema auch Projektmanager etwas an (siehe weiter unten).

Und darum geht es: Im Kampf gegen die Kinderpornografie setzt die Bundesregierung auf schwarze Listen mit Internet-Adressen. Anhand dieser sollen die Internet-Provider den Zugang zu entsprechenden Seiten sperren. Der Anwender bekommt dann, wenn er eine solche Adresse ansteuert ein rotes Stoppschild angezeigt.

Bevor es im Artikel weitergeht, weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass wir selbstverständlich jede Form der Kinderpornografie ablehnen und die unnachgiebige Verfolgung der Straftäter befürworten. Wir glauben aber auch, dass der jetzt vorliegende Gesetzentwurf und die Anwendung von Sperrlisten nicht geeignete Mittel sind. Schon aus dem einfachen Grund, weil diese Maßnahmen mit geringen Internetkenntnissen leicht zu umgehen sind. Vielmehr glauben wir, dass man das Übel an der Wurzel packen muss. Beispielsweise durch die kriminaltechnische Ermittlung und Verfolgung der Produzenten.

Wo ist das Problem bei den jetzt beschlossenen Maßnahmen?
Ganz einfach: Es geht hierbei um Zensur und die findet bei uns bekanntlich nicht statt (Grundgesetz, Artikel 5, Absatz 1: „… Eine Zensur findet nicht statt.“)

Das fiese daran ist, dass durch den Deckmantel der Kinderpornografie, jeder der diese Art der Zensur ablehnt, gleich in den Verdacht gerät Kinderschänder schützen zu wollen.

Zwar sagt das Grundgesetz weiter in Artikel 5, Absatz 2: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.

Aber: Eben diese gesetzlichen Vorschriften, deren Entwurf (PDF) am 22. April das Bundeskabinett passiert hat, sind problematisch, weil willkürlich, nicht wirklich wirksam und sie können Unschuldige treffen, beispielsweise auch Sie! Ich will in diesem Fall auf entsprechende Artikel im Fokus, Handelsblatt und in der Welt verweisen. Alles Medien, die nicht gerade in Verdacht stehen all zu liberal zu sein. Selbst auf der Webseite des Familien-Ministeriums ist zu lesen, dass die gesetzliche Regelung nicht ganz koscher ist: „Die Bundesregierung weiß, dass mit diesen Regelungen gesetzgeberisches Neuland betreten wird. Sie schlägt deshalb auch vor, dass innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes eine Evaluierung erfolgt.

Höchst problematisch ist dabei, dass die gesperrten Webseiten geheim gehalten werden. Ausserdem kann man dort auch versehentlich, beispielsweise durch das Anklicken eines irreführend bezeichneten Links landen. Zwar steht dann auf dem gezeigten Stoppschild „Weder Informationen zu Ihrer IP-Adresse noch andere Daten, anhand derer Sie identifiziert werden könnten, werden vom Bundeskriminalamt gespeichert„. Aber wir wissen auch, dass die Provider verpflichtet sind alle Verbindungsdaten ein halbes Jahr lang zu speichern. Mit anderen Worten: Einmal unwissend die falsche Seite angesurft und Sie sitzen eventuell in der Falle! (siehe hier).

Ausserdem sei noch exemplarisch auf die Pressemitteilung des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein verwiesen. Dort sagt der  Datenschutzbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein, Dr. Thilo Weichert:

Schon das reine Sperren von Webseiten ist ein grundrechtliches Problem, insbesondere weil dadurch auch rechtmäßige Inhalte des Internet betroffen sein werden, die den uneingeschränkten Schutz des Art. 5 Grundgesetzes in Anspruch nehmen können. Die nun bekannt gewordenen Planungen haben aber eine völlig neue Ãœberwachungsdimension: Mit dem Speichern der Zugriffsversuche würde eine Vorverlagerung der Verdachtsgewinnung zur Bekämpfung der Kinderpornografie erfolgen, die Zigtausende von absolut unschuldigen Menschen zu Verdächtigen machen würde: Allein der Umstand, dass eine Internetadresse angeklickt wird, wird zum Ermittlungsansatz wegen Kinderpornografie genommen. Damit würde sich jeder Internetnutzer schon der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen, wenn er eine ihm noch nicht bekannte Adresse aufruft, da er nicht wissen kann, ob diese Adresse selbst gelistet ist oder ob diese auf eine gelistete Adresse automatisch weiterleitet. Die Aufnahme in die Liste durch eine Verwaltungsbehörde gibt nicht ansatzweise die Sicherheit, dass ein Internetangebot wirklich kriminelle Inhalte enthält. Ein Mitloggen von Webseitenaufrufen wäre nicht nur ein Frontalangriff auf die freie Kommunikation im Internet, sondern zugleich ein Ãœberwachungsinstrument, mit dem die Nutzung des Internet allgemein massiv beeinträchtigt würde. Die Bundesregierung täte gut daran, vor einem Beschluss ihre Gesetzentwürfe einer öffentlichen Diskussion zu unterwerfen. Schnellschüsse bei Internetzensur und -kontrolle können hier eine nicht beabsichtigte explosive Wirkung entfalten – für Grundrechte, für die wirtschaftliche Relevanz elektronischer Medien und letztlich für die gesamte Gesellschaft.„ (Hervorhebung durch mich).

Der erste Satz muss erklärt werden: Meines Wissens geschieht die Sperrung auf IP-Adressen-Ebene. Da beispielsweise alle virtuellen Server eines physikalischen Servers eine gemeinsame IP-Adresse haben können, sind logischerweise durch die Sperrung alle dort gehosteten Webseiten betroffen.

Andreas Heilwagen schreibt vollkommen richtig dazu:

Zugegebenermaßen ist das Beispiel (noch) an den Haaren herbeigezogen. Wenn aber für Ihre Projektmitarbeiter grundsätzliche das Risiko besteht, mit den Behörden ohne Vorwarnung durch Surfen im Internet in Konflikt zu geraten, sind Sie in der Verantwortung. Beispielsweise wenn Sie im Internet projektbezogen Seiten nutzen, die (aus Versehen) auf dem Index landen. Dass das BKA in der Vergangenheit einige Probleme hatte wie die Fälschung von Beweisen, stärkt mein Vertrauen in die Situation nicht.“

Dem ist nichts hinzu zu fügen!

Weitere Informationen zu dem Thema gibt es bei Telepolis und auf Netzpolitik.org.

8 Gedanken zu „Zensur und ein problematischer Gesetzentwurf

  1. Hallo Richard,

    vielen Dank für Dein tolles Posting. Eine so tiefgreifende Aufarbeitung hätte an dieser Stelle nicht leisten können.

    Gruß,

    Andreas

  2. Grad als Tweet die Ankündigung gelesen …

    ich frage mich immer dabei, wie wird Zensur angezeigt? Oder übertragen auf Parteien die solche Grundrechtsfeindlichen Dinge über den Willen der Bürger beschließen, wie kann man den Prozess in Gang setzen, mit dem das BVerfG die Verfassungsfeindlichkeit dieser Personen „verhängt“?

  3. Pingback: Wochenrückblick 17/09 - End of line « Projekt Management Beratung

  4. Pingback: Nachschlag zum Thema Internet-Zensur « MacPM.net

  5. Pingback: Lesestoff für Projektmanager: Links des Tages « MacPM.net

  6. Pingback: Neues zur Zensur im Internet » MacPM.net

  7. Pingback: Internet-Sperren sind durch - aber wir sind wachgerüttelt » MacPM.net

Kommentare sind geschlossen.