Alles 3.0 oder was?

Ich muss heute schon wieder auf einen Beitrag von Andreas Heilwagen Bezug nehmen. Allerdings schwebte das Thema ebenfalls schon seit längerem vor meinem geistigen Auge herum. Höchste Zeit also, es jetzt aufzugreifen. Es geht um die Unsitte alles mögliche 2.0 und neuerdings 3.0 zu nennen.

Ich muss es ein für alle mal sagen: Es gibt kaum echtes „2.0“ und schon gar kein „3.0“, zumindest wenn es sich nicht um Software handelt!

Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen. Die Nummernfolge 2.0 tauchte zum ersten mal in Zusammenhang mit dem Begriff Web 2.0 auf. Das „neue“ Web mit einem 2.0 gegen das „alte“ abzugrenzen war und ist absolut in Ordnung gewesen. Tim O`Reilly, der diesen Begriff geprägt hat, hat das damals sehr gut begründet, denn es hat sich wirklich etwas getan:

1. Geschäftsmodelle: Nachdem unter dem Eindruck der Dotcom-Blase niemand mehr geglaubt hatte, dass man im Web jemals wieder Geld verdienen können wird, trat in Wirklichkeit das Gegenteil ein. Diverse Web-Unternehmen verdienten online wieder Geld und das nicht zu knapp.

2. Es tauchten verstärkt neue Technologien auf und sie wurden von den Anbietern fleissig adaptiert. Angefangen bei AJAX, über RSS bis hin zum Tagging und diversen anderen Neuerungen wie Trackbacks (in Blogs), Widgets und vieles mehr.

3. All das führte zu vollkommen neuartigen, bisher nicht da gewesenen Anwendungen. Stichwort Cloud-Computing, Software as a Service (SaaS) und onlinebasierte Anwendungen wie Google-Docs oder das Social Web. Bei letzterem sollte man übrigens weniger an „sozial“ im deutschen Sinne, als vielmehr an das englische Verb „to socialize“ im Sinne von Kontakte knüpfen denken!

4. Vor allem aber wurde das Web durch die neuen Technologien zur „Anwendung“, ja fast schon zum Betriebssystem (im metaphorischen Sinne) statt nur ein einfaches, mäßig interaktives Medium zu sein.

Der Sprung vom Web 1.0 zum Web 2.0 war also fundamental und ist in all seinen Auswirkungen noch immer kaum zu fassen und längst nicht ausgereizt. Seine Auswirkungen sind bis hinein in das soziale Leben zu spüren. Angefangen von neuen Berufsbildern (Social Media Beauftragte in Unternehmen) über die Art wie wir kommunizieren (Twitter, Facebook) bis hin wie wir arbeiten (Online-Kollaboration, ortsunabhängige Datenhaltung in der Cloud und etc. pp.) Soviel zum Hintergrund.

Es war klar, dass das „2.0“ schnell zu einem Marketingbegriff verkam, der vor allem von Leuten verwendet wurde, die keinen blassen Schimmer von der Wirklichkeit hatten. Und schon wurde alles vermeintlich neue mit 2.0 deklariert.

Ich persönlich kann noch den Begriff Enterprise 2.0 akzeptieren, da er direkt von Web 2.0 abgeleitet ist. Er bezeichnet einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der Führung eines Unternehmens auf Basis von Web-2.0-Tools. Kollaboration, Teamgedanke und Kreativität statt starrer Hierarchien und Abläufe. Agilität statt Stillstand.

Aber schon mit dem Begriff Projektmanagement 2.0 habe ich meine Schwierigkeiten. Was hat sich denn fundamentales geändert? Nichts! Sicher, es gibt jetzt agiles Projektmanagement. Aber das ist doch nur eine Methode speziell für die Software-Entwicklung. Das klassische Projektmanagement bekommt dadurch höchstens ein paar Impulse und wird so nicht gleich zum Projektmanagement 2.0. Und wenn es um „Social-Projektmanagement“ geht, also Projektmanagement basierend auf sozialen Tools, dann zählt das für mich, wenn überhaupt zu Enterprise 2.0. Aber meinetwegen, lassen wir auch Projektmanagement 2.0 gelten.

Was gar nicht geht, ist 3.0, egal ob in Web 3.0 oder Projektmanagement 3.0. Wir haben noch nicht einmal die 2.0-Umwälzung hinter uns gebracht beziehungsweise deren Entwicklung oder gar Adaption abgeschlossen. Da können wir von 3.0 noch nicht einmal träumen. Lassen Sie uns von 3.0 reden, wenn wieder einmal etwas wirklich fundamentales geschieht. Und zwar nicht nur in technologischem, sondern auch in sozialem Sinn. Also mit einem ähnlichen Impact wie beim Sprung vom Web 1.0 zum 2.0. Ich für meinen Teil sehe jedenfalls in keinem Bereich eine 3.0 am Horizont.

Ein Gedanke zu „Alles 3.0 oder was?

  1. Lieber Richard,

    ich stimme Dir in allen Punkten voll und ganz zu! Ist echt eine Unsitte, allem Möglichen den Stempel 2.0 oder gar 3.0 aufzudrücken.

    Grüße aus Österreich,

    Stefan

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