Von edlen Notizbüchern und warum sie keine Mode sind

Notizbuch

Das „Qualitätsmedium“ Süddeutsche.de hat sich wieder einmal selbst übertroffen und entdeckt die „Renaissance des Notizbuchs„. Der Vorspann zum besagten Artikel liest sich so:

Gegen seelenloses Tastaturgeklicke: Handgeschriebenes wird wieder zum analogen Ereignis, das Notizbuch ist zurück. Und sorgt für erotischen Größenwahn unter seinen Liebhabern.

Äh, nun ja… Irgendwie habe ich in den letzten Meetings den „erotischen Größenwahn“ verpasst. Statt dessen waren viele Zusammentreffen ebenso öde wie immer, manche immerhin unterhaltsam und einige sogar richtig produktiv. Größenwahn („ach was, der Termin ist noch zu halten“) gab es auch, nur am erotischen Moment mangelte es. Meistens. Und das, obwohl nahezu jeder ein – Sie ahnen es – Notizbuch vor sich liegen hatte und es auch verwendete.

Nun zähle ich mich trotz meines Alters durchaus zu den so genannten Digital Natives, die gerne mit allen möglichen digitalen Gerätschaften hantieren und im sozialen Web aka Twitter und Facebook ihre Spuren hinterlassen. Aber ganz ehrlich, ich bin noch nie auf die Idee gekommen mein Notizbuch durch irgend etwas Digitales zu ersetzen. Warum auch?

Es gibt schlichtweg nichts schnelleres und zuverlässigeres als Papier und Bleistift um sich Notizen zu machen, Ideen zu skizzieren oder sich mal eben eine Telefonnummer oder ähnliches zu merken. Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich durchaus eine Zeit lang auf iPhone und Mac verzichten könnte, nicht jedoch auf mein Notizbuch.

Und damit wären wir wieder beim oben genannten SZ-Beitrag. Der Autor macht sich dort süffisant über Moleskine (wie bei der SZ üblich) und ähnliche Trend-Notizbücher her, hat aber offenbar keine Ahnung, was ein Profi-Notizbuch-Nutzer wirklich braucht. Zugegeben, es muss kein (in China gefertigtes und hier teuer verkauftes) Moleskine sein. Aber auf die (subejektiv empfundene) Qualität kommt es schon an. Hier also meine ultimative und vollkommen subjektive Notiz-Equipment-Ausstattung:

Ich benutze ein Notizbuch für alles (bis auf eine kleine Ausnahme, im wahrsten Sinne des Wortes, mehr dazu weiter unten). Das heißt, ich schreibe dort alles rein, was so kommt: Meeting-Protokolle, Notizen, Telefonnummern, Ideen, aber auch Skizzen. Selbst für geistloses Gekrakel, dass unweigerlich und fast unbewußt beim Telefonieren entsteht, habe ich in meinem Notizbuch Platz. Es könnte sich ja eine gute Idee daraus entwickeln. Der Grund: Erst wenn man wirklich alles in einem einzigen Notizblock hat, verliert man keine Informationen und hat sie auch ständig dabei. Und darum geht es ja schließlich.

Ich war nicht immer wählerisch mit meinem Notizbuch. Früher nutzte ich schon mal karierte DIN-A4-College-Blöcke, mittlerweile suche ich mir aber edlere Bücher. Denn erstens macht es keinen besonders guten Eindruck, wenn man beim Kunden mit einem ausgefransten und eselsohrigen Papierblock auftaucht. Zweitens habe ich festgestellt, dass mir vor allem die Papierqualität wichtig ist. Das Papier sollte nicht zu dünn und relativ glatt sein. So flutscht mir das Schreibgerät besser übers Papier. Das kann bei Ihnen natürlich wieder ganz anders sein. Evtl. bevorzugen Sie den Widerstand, das rauheres Papier verursacht.

Apropos Schreibgerät: Vielleicht liegt es am Alter, dass ich hier immer schrulliger werde, aber ich brauche immer drei Schreibgeräte, die ich je nach Laune verwende. Schreibgerät Nr. 1 ist ein etwa zehn Jahre altes Montblanc Meisterstück. Aber nicht irgendeines, sondern das vollkommen schnörkellose schwarze Ur-Modell und zwar in der Damen-Variante! Herkömmliche Füllfederhalter sind mir viel zu groß und in meinen Augen ein Unding! Da könnte man ja gleich einen Faustkeil nehmen. Wichtig: Eine auf meine Art zu Schreiben abgestimmte Goldfeder. Jeder Schreibwarenhändler, der etwas von seinem Job versteht ist hier gerne behilflich. Der Unterschied ist wie Tag und Nacht und das Schreiben macht plötzlich wirklich Spaß und ermüdet nicht (den Schreibarm kennt man ja noch aus der Schule…).

Zweites Schreibutensil ist ein gut fünfzehn Jahre alter Dreifachstift, der Designklassiker Lamy tri pen vom ehemaligen Braun-Designer Gerd A. Müller. Er ist mit einer schwarzen Kugelschreiber- und einer leuchtendorangen Marker-Mine bestückt. So kann ich wichtige Sachen hervorheben und bei Skizzen verschiedene Farben nutzen. Abgesehen davon ist noch eine 0.5er Bleistift-Mine drin, die ich allerdings kaum nutze.

Denn dafür habe ich noch einen uralten Bigraph-Druckbleistift, der aus meinem Studium übrig geblieben ist. Der Clou: Er ist mit einer weichen (Härtegrad B) 0,5er Mine bestückt und liegt wunderbar in der Hand. Vom tollen Design ganz abgesehen. Skizzen, Zeichnungen, Diagrammentwürfe aber auch Notizen fliessen nur so aus diesem Stift heraus, so weich ist er. Nachteil: Die Mine bricht sehr schnell, nützt sich schnell ab und das Geschreibsel verschmiert leicht, besonders weil ich (siehe oben) relativ glattes Papier bevorzuge.

Ab uns zu wird das Schreibset noch durch einen Zwei-Euro-Kugelschreiber von Pilot ergänzt, aber nur wenn ich einen mit 0,7er-Mine finde. Die schreibt so herrlich weich und flüssig, dass es ein Gedicht ist. Da aber offenbar niemand Wert auf gutes Schreibzeug legt, gibt es den so gut wie nicht hierzulande zu kaufen.

Was die Größe meiner Notizbücher betrifft, beschränke ich mich mittlerweile auf DIN-A5 oder die etwas kleineren internationalen Formate. Zwar finde ich DIN-A4 nach wie vor am besten, aber in der Praxis ist es einfach zu groß. Für den mobilen Einsatz habe ich übrigens noch ein kleines DIN-A6-Taschen-Notizbuch mit edlem Silberschnitt. Das sieht zwar ein wenig tuntig aus, war aber ein Geschenk und passt perfekt in die Innentasche meines Anzug-Jackets. Praktisch: Die Seiten sind perforiert. Optimal, wenn man mal eben eine Nachricht hinterlassen muss oder jemandem eine Notiz oder Adresse mitgeben will.

Und damit wären wir wieder bei den ach so modischen Notizbüchern aus dem SZ-Beitrag. Es ist mir nach wie vor relativ egal ab ob es sich um ein Marken-Buch handelt oder eine No-Name-Kladde vom Discounter. Wichtig ist allein die Papier- und Bindungsqualität. Bei Moleskine und Co. nehme ich gerne auch die markentypischen Features mit wie Gummiband zum verschliessen (das verhindert all zu viele Eselsohren), Merkerbändchen und rückseitige Tasche für Visitenkarten etc. Warum aber keiner dieser Hersteller in der Lage ist, eine Schlaufe zum befestigen eines Stiftes anzubringen, weiß nur der liebe Gott.

Fazit: Warum erzähle ich Ihnen das alles? Weil für jedes Business, jede Firma und jeden Selbständigen Wissen, Know-how und Ideen die wertvollsten Güter sind und ein Großteil Teil davon naturgemäß – zumindest temporär – in Notizbüchern steckt. Da ist es nur recht und billig, wenn man in die Auswahl dieser Arbeitsmaterialien (inklusive Schreibgeräte) ein wenig Hirnschmalz und Geld investiert. Schon allein um dadurch für einen selbst deren Bedeutung zu unterstreichen.

Der Mode ist allerhöchstens die äussere Form unterworfen. In den Neunzigern hatten wir alle Zeitplanbücher von TimesSystems oder Filofax. Jetzt sind es halt – verglichen damit deutlich billigere – Moleskine- und Edelpapeterie-Notizbücher, während sich die Zeitplanung auf Mac und iPhone verlagert hat. Aber das Notizbuch aus Papier an sich ist und bleibt da und ist keine Mode!

3 Gedanken zu „Von edlen Notizbüchern und warum sie keine Mode sind

  1. cool Richard, es hat mal wieder richtig Spass gemacht, Deinen Artikel zu lesen 🙂 In der Tat… analoge Notizen flutschen besser als Digitalen, aber das ist vielleicht so nur weil die PWs noch keine Notizen app für das iPad gemacht haben 😉

    Ruhig Blut… Das ist keine Produktankündigung, nur mein übliches ‚wie-wäre-es-wenn‘ day dreaming… 🙂

  2. Schicker Artikel! So ähnlich schaut’s bei mir auch aus. Bei mir gibt es nur noch zwei Notizlösungen: Mindmeister auf dem iPad und mein Notizbuch. Als Schreibutensilien mag ich ja die Bohème Serie von Montblanc, kompakt, elegant und liegt gut in der Hand. Für Notizbücher mit Stiftschlaufen gibt es die Moleskine Klone von Brunnen. Die haben eine sehr praktische Stiftschlaufe zusätzlich zu den Moleskine Features wie Verschlussband und Einstecktasche. Erhältlich sind sie z.B bei Manufactum.

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