Agile und schlanke Projektmanagement-Methoden auf dem Vormarsch? (Update)

Zugegeben, Mitte Mai ist es ein wenig spät um über die Trends im Projektmanagement für 2010 zu sprechen. ProjectSmart tut es dennoch. Das ganze wäre nicht der Rede wert, wenn mir nicht einer der postulierten Trends besonders ins Auge gestochen wäre: „Agile and Lean Processes are Overtaking Waterfall“.

Darauf bin ich aber gespannt. Keine Frage, agile und schlanke Projektmanagement-Methoden sind auf dem Vormarsch, in der Software-Entwicklung sind sie sogar schon defacto Standard. Aber im gesamten Projektmanagement? Wohl kaum!

Ich stelle mir gerade die Heerscharen von Projektverantwortlichen in deutschen mittelständischen Unternehmen vor, wie sie ihren Stakeholdern und Projektteams Iterationen, Userstories, und Kanban-Kärtchen nahe bringen…

Verstehen sie mich nicht falsch. Ich bin ein großer Freund von Scrum, Kanban und Co. Aber ich kenne auch deutsche Unternehmen und ich weiß, wie schwer sie sich mit modernen Management-, Arbeits- und Kommunikations-Methoden tun. Für agiles Projektmanagement dürfte das sogar besonders gelten, bricht es doch mit eingefahrenen Hierarchie-Strukturen. Wo kämen wir hin, wenn rangniedere Team-Mitglieder plötzlich selbst bestimmen dürften, was und wie sie es bewältigen? Aber ich lasse mich gerne überraschen…

Update: Eine schöne Bestätigung meiner Bedenken habe ich heute auf dem Projekt-Log gefunden. Dort wird ein Fall beschrieben, bei dem ein 40-Seitiges! Papier mit dem Titel „Product Backlog Sprint 1“ zum Einsatz kam. Und warum? Weil offenbar der Auftraggeber noch traditionell denkt und deshalb mit einem richtigen (und bei weitem kompakteren) Sprint-Backlog nicht s anfangen kann.

Kanban ganz kurz erklärt

In einem früheren Posting habe ich versprochen, hier auf MacPM Kanban vorzustellen. Kanban kommt, wie viele andere neuartige Produktions-, Management- und Organisations-Ideen aus dem Toyota-Produktionssystem und dient der Organisation der Just-in-time-Produktion. Es bedeutet wörtlich übersetzt „Signalkarte“. Doch die Kartenidee hat im (Software-) Projektmanagement ausgedient, statt dessen wird mit Klebezetteln bzw. Haftnotizen gearbeitet. Die Idee ist folgende:

An einem Kanban-Board, das kann eine Tafel oder ein Whiteboard sein, werden die Prozessschritte (z.B. Planung, Programmierung, Implementation, Roll-out, etc. ) in Spalten angeordnet. Die Anforderungen, sprich Aufgaben, Features oder – Scrum lässt grüßen – Userstories werden horizontal angeordnet. Das heißt, das Kanban – sprich die Haftnotiz – wandert von Spalte zu Spalte bis der Aufgabe erledigt ist.

Damit die Teamarbeit reibungslos klappt, empfiehlt sich für jede Spalte eine zusätzliche „Erledigt“-Spalte. Diese hat unter anderem die Aufgabe, quasi als Auffangstation oder Zwischenspeicher zu dienen. Das ist notwendig, denn jede Station (repräsentiert durch die jeweilige Spalte) holt sich a) das Kanban selbst aus der vorhergehenden Spalte (Pull-Prinzip) und b) nur dann, wenn es Kapazitäten frei hat. Diese Kapazitäten werden vorher festgelegt. Mit anderen Worten: Man sieht sofort ob es Engpässe gibt und wenn ja, wo sie liegen. Nämlich dort, wo sich die Kanban-Zettel häufen.

Wichtig: Kanban ist keine Projektmanagement-Methode, sondern lediglich eine Organisationsform – quasi eine getunte To-do-Liste – und kann dem entsprechend mit Projektmanagement-Methoden wie etwa dem guten alten Wasserfall oder Scrum kombiniert werden. Klar, dass daraus sofort der Begriff Scrumban entstanden ist.

Kanban macht gerade in letzter Zeit nicht nur im Projektmanagement Furore, sondern auch als Tool für die Selbstorganisation und das Zeitmanagement. Das heißt dann Personal Kanban und ist quasi eine abgespeckte Form des Ganzen. Mehr dazu in einem späteren Blog-Posting).

Zugegeben, das hier ist eine arg verkürzte Beschreibung von Kanban. Falls Sie mehr darüber wissen wollen, hier ein paar deutschsprachige Ressourcen:

Update, Juli 2018: Die Projektmanagement Software Merlin Project unterstützt nun – seit der Version 5.x – das Kanban-Konzept zusätzlich zu den traditionellen Projektmanagement Wasserfall-Methoden. Der Anwender muss sich nicht für eine Vorgehensweise entscheiden. Das Programm macht es einfach bei Bedarf die zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen mit einander zu kombinieren. Laden und testen Sie die macOS app jetzt…

Agil: Kanban in der Systemadministration

Zugegenben, was agile- oder schlanke Projektmanagement-Methoden und Arbeitsweise betrifft, haben wir auf MacPM zwar sehr viel über Scrum, aber nicht viel über Kanban geschrieben. Ich werde das asap nachholen.

Einstweilen möchte ich schon mal auf einen sehr interessanten Beitrag im Xing-Blog hinweisen. Dort beschreibt Kai Lippok der Chef-ITler bei Xing, wie er Kanban für die hausinterne Systemadministration, also die gängigen IT-Aufgaben „von der Mailserverwartung bis zum Ad-hoc-Support bei Mitarbeitern, deren Notebook streikt“ einsetzt.

Die Gründe für den Kanban-Einsatz sind laut Kai Lippok:

  • Redundanz: Durch die aktive Zusammenarbeit entsteht im positiven Sinne eine Redundanz. Dadurch wird vermieden, dass nur eine Person im Team die Kompetenz für ein Produkt hat
  • Transparenz: Durch das offene Taskboard weiß jeder im Team, woran der andere gerade arbeitet. Das tägliche „Stand-Up Meeting” verstärkt dieses noch.
  • Mehr Geschwindigkeit: Das mag kurz nach der Einführung noch nicht der Fall sein, sollte sich aber durch die Zusammenarbeit schnell einstellen.
  • Erfahrungswerte: In der Software-Entwicklung hat es sich als effektiv erwiesen.

Alles in allem scheint das Fazit sehr positiv zu sein, auch wenn es für diesen eher untypischen Einsatz einiger Anpassungen des Kanban-Systems gebraucht hat. Aber Kreativität hat sich schon immer ausgezahlt. Ich finde es jedenfalls faszinierend, wie sich agile Methoden immer mehr aus der Software-Entwicklung heraus in andere Bereiche ausdehnen.